Ein kurzer Abriss über Erkrankung und Epidemiologie der Hepatitis B





Die Hepatits B ist weltweit endemisch, d. h. sie kommt weltweit ständig vor, man unterscheidet:

Situation in Deutschland

Insgesamt spielt die HB bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren in Deutschland eine absolut untergeordnete Rolle, was der Vergleich zu den Gesamtfallzahlen nachdrücklich zeigt:

HepB  in D

Bei diesen ohnehin geringen Fallzahlen sind deutschstämmige Kinder nochmals deutlich weniger vertreten: eine Studie des RKI selbst aus dem Jahr 2011 zeigte, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund (erste und zweite Generation, vor allem aber erste Generation und wenn beide Eltern aus entsprechenden Risikoländern stammen) betroffen sind - deren Risiko zu erkranken ist etwa zehnmal höher als das deutschstämmiger Kinder (Cai 2011). Im Erwachsenenalter ist eine aktive Hepatits B in dieser Bevölkerungsgruppe  (Migrationshintergrund) um den Faktor zehn höher als in der "Normalbevölkerung" (RKI 2018).

Auch in den Jahren 2015 - 2018 zu beobachtende Zunahme der Hepatitis B-Fälle in Deutschland wird vom RKI als zumindest teilweise durch Asylsuchende bedingt erklärt (RKI 2022, RKI 2017 - der Rest ist lt. RKI durch eine Änderung der Fallerfassung bedingt...): in vielen Bundesländern werden Asylsuchende schon bei der Erstaufnahme auf Hepatitis B untersucht und viele von ihnen kommen aus Hochprävalenzgebieten. Das RKI erklärt in der zitierten Übersichtsveröffentlichung auch die Verschiebung des Erkrankungsalters nach unten mit den untersuchten Asylsuchenden, denn bei ihnen liegt das mittlere Erfassungs- (nicht: Erkrankungs-)alter im Mittel bei 25 Jahren.

Damit ist die Hepatitis B die derzeit einzige Erkrankung mit einer relevanten Häufigkeit, deren Auftreten in Deutschland tatsächlich durch asylsuchende Menschen zugenommen hat - das ist allerdings überhaupt nicht gleichbedeutend mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko für die Bevölkerung in Deutschland, da die Übertragung wie vom RKI aufgeführt eben durch in der Regel gut steuerbares Verhalten wie Sexualität oder Drogengebrauch erfolgt... . Das zeigt auch die Aufschlüsselung der Hepatitis B-Fälle in Deutschland nach dem Infektionsort und dem Geburtsland der Erfassten: nur knapp 70% aller Ansteckungen fand laut RKI in Deutschland statt, weniger als ein Drittel der Betroffenen ist in Deutschland geboren (RKI 2022).

Insgesamt geht das RKI davon aus "dass seit 2006 die Anzahl übermittelter akuter Infektionen relativ konstant blieb." (RKI 2022).

Ein ungelöstes Rätsel ist in Deutschland die Rolle, die die Mehrfacherfassung des oder der einzelnen Erkrankten mit Hepatitis B durch das deutsche Meldesystem spielt. Grundsätzlich kann durch komplizierte und regelmäßig geänderte Meldevorschriften und eher konservative Übermittlungsverfahren nicht ausgeschlosssen werden, dass ein Teil der Infektionszahlen auch auf diesem Phänomen beruhen. Das RKI selbst modelliert (!) hier zwar einen Anteil von maximal 5% an der erfassten Gesamtzahl, räumt aber ein "Die Frage, ob Mehrfacherfassungen zum Anstieg von Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Meldefällen zwischen 2017 und 2022 beigetragen haben, kann nur bedingt beantwortet werden." (RKI 2023)

Im Kindesalter gibt es überproportional häufig chronische Verläufe, diese sind jedoch zu 2/3 perinatalen Ursprungs (d. h. Neugeborene stecken sich unter der Geburt bei der HB-infizierten Mutter an) (Hollinger 1996), also nur durch eine (in Deutschland durchgeführte) gezielte Untersuchung Schwangerer auf HB, nicht jedoch durch die Säuglings-Impfung erreichbar (Meinecke 1998).

In Kindergemeinschaftseinrichtungen besteht kein erhöhtes Übertragungsrisiko (Hurwitz 1994), d. h. die theoretisch denkbaren Übertragungswege wie Verletzungen im Kindesalter, gemeinsam benutztes Geschirr und ähnliches scheinen in der Praxis keine Rolle zu spielen.

Das für die Impfung schon von Säuglingen und Kleinkindern in der Diskussion immer wieder vorgebrachte Argument der möglichen Übertragung durch Nadelstichverletzungen auf öffentlichen Spielplätzen ("Fixerbestecke") entbehrt jeder wissenschaftlichen Substantiierung: in der internationalen Literatur ist bis jetzt genau ein Fall einer solchen Übertragung dokumentiert (Garcia-Algar 1997, Übersicht bei Moore 2018), wobei aktuelle Übersichtsarbeiten darauf hinweisen, dass hier erstens andere Infektionsquellen nicht sicher ausgeschlossen werden konnten und zweitens das betroffene Kind im Anschluss an die Verletzung keine adäquate Impfung erhielt - diese verhindert bei Hepatitis B nämlich auch nach der möglichen Ansteckung sicher den Ausbruch der Erkrankungen (so genannte Postexpositionsprophylaxe). Die Autoren der Übersichtsarbeit kommen nach der Analyse von 1500 entsprechenden Nadelstichverletzungen zu der Schlussfolgerung, das Risiko einer Infektion mit Hepatitis B sei “so low as to possibly be negligible.” (Osowicki 2015, 2014).

Eine Studie aus den Niederlanden von 2009 untersucht speziell die als Argument für die flächendeckende Impfung immer wieder aufgeführte Reduktion der chronischen Hepatitis B-Verläufe (die einen Risikofaktor für ein späteres Leberzellkarzinom darstellen): die Auswirkungen auf deren Häufigkeit blieben - so die Autoren - bei sehr hohen Kosten des Impfprogrammes sehr begrenzt (Kretzschmar 2009).





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